Das Zeitalter des Risorgimento

Risorgimento - Bezeichnung für die Epoche der Schaffung des geeinten italienischen Nationalstaates zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Einname Roms 1870. Die Bezeichnung geht auf den programmatischen Titel der Turiner Zeitschrift "Il Risorgimento" zurück, die Graf Cavour 1847 mitbegründet hat.

Der Wiener Kongress hatte die territoriale und politische Ordnung Italiens zementiert. Die Halbinsel war in verschiedene souveräne Einzelstaaten aufgeteilt: Die Lombardei und Venetien (unter habsburgischer Herrschaft), das Königreich Sardinien-Piemont, den Kirchenstaat, das bourbonische Königreich Neapel, die Herzogtümer Toskana, Parma und Modena (unter habsburgischen Nebenlinien). In ganz Italien wurden die Forderungen nach liberalen Reformen, nach der Einigung Italiens und nach der Beendigung der österreichischen Fremdherrschaft immer drängender.


In der ersten Phase des Risorgimento (1815 - 1848) dominierten zunächst einige Geheimgesellschaften, u.a. die "Carbonari"*), die in erster Linie gegen die Reaktion und für die Unabhängigkeit kämpften. 1820 initiierten sie Aufstände in Neapel und 1830/31 in Bologna, Parma und Modena; alle Aufstände wurden mit österreichischer Hilfe niedergeschlagen. 1831 gründete Giuseppe Mazzini die Vereinigung "Giovine Italia"**), die sich die Errichtung einer unabhängigen geeinten Republik Italien zum Ziel setzte. Auch die von Mazzini organisierten Aufstände - 1833 im Piemont, 1843in Bologna, 1844 in Kalabrien und 1845 in Rimini - wurden unterdrückt, blieben aber nicht folgenlos. Die italienische Öffentlichkeit begann sich intensiver mit der Frage nach der politischen Zukunft Italiens auseinander zu setzen.

*) Carbonari, ital. Köhler, nationalrevolutionärer Geheimbund in Italien, entsteht um 1796 als Träger der Freiheits- und Einigungsbewegung, nach 1815 besonders im Königreich Neapel am Werk. Der Name bezieht sich auf die schwarzen Mäntel, Masken und Hüte, die die C. bei ihren Zusammenkünften tragen, und auf ihre dem Köhlergewerbe entlehnte Ausdrucksweise, mit der sich die Eingeweihten verständigen (Lexikon der Weltgeschichte)
**)Junges Italien, in den 30erJahren des 19. Jhds. entstandene Gruppe um Mazzini, die für ein freies, einiges, republikanisches Italien kämpft. Name nach der von Mazzini im frz. Exil hrsg. Zeitung "La Giovine Italia".

Mit dem Regierungsantritt von Papst Pius IX. begann 1846 eine Phase der Reformen. Der Papst hatte im Kirchenstaat eine Reihe von Reformen durchgeführt und damit liberale und demokratische Bewegungen in den anderen italienischen Staaten zum Handeln ermutigt. Auf ihren Druck hin und nach revolutionären Unruhen in verschiedenen Teilen des Landes sahen sich einige italienische Staaten - Sardinien-.Piemont, das Königreich beider Sizilien, die Toskana - gezwungen, Verfassungen zu erlassen und zu konstitutionellen Regierungsformen überzugehen.
Im Kampf für die Unabhängigkeit und gegen die österreichische Vorherrschaft übernahm 1848 König Karl Albert von Sardinien-Piemont die Führung. Der Krieg gegen die Österreicher scheiterte jedoch an der Uneinigkeit der Italiener hinsichtlich der politischen Zukunft Italiens. Es blieb vorerst beim territorialen Status quo. In Rom hatte sich nach der Flucht des Papstes aus der Stadt im Februar 1849 die Römische Republik unter Mazzini und Garibaldi etabliert, doch schon im Juli beendeten französische Truppen die republikanische Phase. Die kurzlebigen Republiken in Venedig und in der Toskana wurden von den Österreichern niedergeschlagen. Die revolutionären Bewegungen waren vorerst gescheitert.

Nach 1849 übernahm Sardinien-Piemont die Führungsrolle im Kampf um Unabhängigkeit und Einheit Italiens. Es hatte sich seine parlamentarische Verfassung erhalten und setzte unter der Regierung Cavour seine liberalkonservative Reformpolitik fort. Ziel war die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie in Italien unter sardischer Führung. Selbst unter den Republikanern, mit Ausnahme Mazzinis und seiner Anhänger, fand er starken Rückhalt. 1852 wurde Cavour Ministerpräsident. 1855 trat er an der Seite Frankreichs, Englands und Russlands in den Krimkrieg ein, und 1858 plante er schließlich mit Napoleon III. einen franko-sardinischen Krieg gegen Österreich zur Befreiung Italiens. Der Krieg begann 1859 und die Koalition gewann die Schlachten von Magenta und Solferino, allerdings unter großen menschlichen und finanziellen Opfern. Aus Angst vor den Konsequenzen eines langen Krieges ließ Napoleon die Italiener im Stich und schloss mit den Österreichern einen Sonderfrieden. Der Wunsch nach einer Vereinigung Italiens war nicht mehr zu unterdrücken. 1960 schlossen sich Parma, Modena, die Toskana und die päpstlichen Territorien Ferrara und Bologna an Sardinien an. Im Mai startete Garibaldi von Genua aus - mit geheimer Unterstützung Cavours - eine erfolgreiche Hilfsexpedition für die Revolte in Sizilien und erstürmte am 7. September Neapel. Volksabstimmungen bestätigten den Anschluss der Teilstaaten - mit Ausnahme von Venetien und dem Kirchenstaat - an Sardinien-Piemont....

Die ersten Parlamentswahlen fanden im Jänner 1861 statt, und am 17. Mai 1861 wurde das Königreich Italien unter König Vittorio Emanuele II. als König und Cavour als Premierminister ausgerufen. Cavour arbeitete an einer friedlichen Übernahme der noch fehlenden Gebiete, doch er starb noch im selben Jahr.

1866 schloss Italien ein militärisches Bündnis mit Preußen gegen Österreich (es ging um die "Deutsche Frage") und konnte nach sieben Wochen Krieg Venedig erobern.


Rom wehrte mit Hilfe der französischen Truppen die Angriffe Garibaldis abwehren, doch 1870 zog Napoleon III. nach seiner Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg seine Truppen ab und die italienischen Truppen besetzten die Stadt. Es gab eine Volksabstimmung für den Anschluss an Italien. 1871 wurde Rom Hauptstadt Italiens. Das neue Königreich erhielt die sardische Verfassung, die jedoch durch Zensuswahlrecht den Großteil der Bevölkerung von politischer Mitwirkung ausschloss und Demokraten wie Republikaner enttäuschte.